Dr. F. H. E. W. du Buy
Sehr geehrter Herr du Buy, für Ihre ausführlichen Darlegungen auf mein Schreiben vom 17.06.2011 bedanke ich mich. Ebenfalls dankbar bin ich für Ihre Bestätigung, daß dies Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 zum Zeitpunkt der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht keine Gesetzeskraft mehr hatte.
Es ehrt Sie, insbesondere als ein Angehöriger eines Staates, der unter den durch das Zweite Deutsche Reich hervorgerufenen Kriegslasten Leiden hingenommen hat, sich für eine so wohlwollende Beurteilung der Fakten einzusetzen.
Als betroffener Deutscher, der gemäß seiner Geburt Leiden und Freuden mit seinem deutschen Volk erleben durfte und mußte, maße ich mir an, eine härtere Auslegung der Fakten vorzunehmen.
Aus meinem Erlebnisfeld greife ich zwei Fakten heraus:
Mein Vater war bei den Duisburger Stadtwerken als Elektro-Monteur beschäftigt. Er wurde 1933 fristlos entlassen, weil er in der KPD Mitglied war. (Er erhielt nach 1945 eine kleine Entschädigung.) Seine Einstellung der neuen Reichsregierung gegenüber war entsprechend. Für mich hatte dies Folgen. Zum „Jungvolk“ durfte ich nicht gehen. Für eine weiterführende Schule reichte die Arbeitslosenunterstützung nicht. Von der Schule bzw. von meinem Klassenlehrer aus wurde ich für die Napola vorgeschlagen. Dies lehnte mein Vater ab. Folgen für mich: Keine Lehrstellenvermittlung durch das Arbeitsamt in Duisburg. Durch meine persönlichen Bemühungen erhielt ich bei einer christlichen Zeitung, der Rhein- und Ruhrzeitung in Duisburg, eine Lehrstelle mit der Zielrichtung Verlagskaufmann. Meine Bemühungen beim Lehrinstitut Zimmermann in Duisburg in Abendkursen mich weiterzubilden, wurden unterbrochen, als ich mich weigerte, bei der Hitler-Jugend anzutreten. Am nächsten Tage wurde ich mit 15 Jahren zur Heimatflak eingezogen. Es folgte mit 17 Jahren die Einberufung zum Arbeitsdienst und im gleichen Lebensalter die Einberufung zu den Fallschirmjägern nach Gardelegen. Ausbildung in einer Erdkampfschule im unbesetzten Frankreich. Fronteinsatz bei der Invasion in der Normandie. Verwundung durch Bauchschuß am 5.8.1944. usw.
Meine Frau, mit der ich 55 Jahre verheiratet war und die ich in den letzten Jahren bis zu ihrem Tode sieben Jahre lang gepflegt hatte, wuchs mit drei Geschwistern in Teuchern auf. Mein Schwiegervater war sieben Jahre lang arbeitslos und mußte mit 15 RM seine Familie durchbringen.
Er war im Kriege 1914/18 Soldat und auch im Kriege 1939-45.
Die Familie Hüttig, so hieß meine Frau, schlief jahrelang auf Stroh. Aus meinem Erlebnis beim Arbeitsdienst schläft es sich darauf nicht so schlecht. Wer jedoch gezwungenermaßen über Jahre darauf schlafen muß, wird dies sicherlich anders sehen.
Noch 1933 erhielt mein Schwiegervater, Ernst Hüttig, Arbeit in 7 km Entfernung beim Bau der Autobahn. Als erste Anschaffung leistete sich die Familie Hüttig Federbetten. Meine Frau sah daher die politische Lage aus einer anderen Sicht. Selbst ihre Großmutter war begeisterte Anhängerin von Adolf Hitler und nähte ihr Bluse und Rock, damit „Klein Erna“ (meine Frau war von der Körpergröße nach wirklich klein) ordentlich gekleidet zum Antreten gehen konnte.
Ich möchte die Sicht aus der unteren Mitte unseres deutschen Volkes verlassen und zu den Fakten zurückkehren:
Das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ trat am „24. März 1933“ in Kraft. In Artikel 2 wird festgeschrieben: ein Abweichen von der Reichsverfassung durch die Reichsregierung wird nicht gestattet, soweit es sich um „die Einrichtung des Reichstags und des Reichsrates“ handelt. „Die Rechte des Reichspräsidenten bleiben unberührt.“
Dieses Zuckerbrot hat der greise Reichspräsident von Hindenburg geschluckt im Vertrauen auf das Wort eines ehrenhaften Frontsoldaten. Daß auch ehrenhafte Frontsoldaten sich für die eine Seite im inneramerikanischen Machtpoker mißbrauchen lassen könnten, war für den Retter Ostpreußens nicht vorstellbar.
Mit dem „Erlaß des Reichskanzlers zum Vollzug des Gesetzes über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs vom 1. August 1934 (Reichsgesetzbl. I S. 474) vom 2. August 1934“ findet, von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, ein Staatsstreich statt, weil der „Artikel 2 des Gesetzes zur Behebung der Not von Volk und Reich“ ignoriert wird.
Dieser Staatsstreich wird auch nicht durch die Volksabstimmung vom „19. August 1934“ in legales Handeln und Recht umgewandelt.
Diese, meine Auffassung bestätigen sie dankenswerterweise im letzten Absatz Ihres Briefes vom 26. Juni 2011 auf Seite 1, unten.
Ihren Ausführungen im ersten Absatz auf Seite 1 kann ich nur zustimmen. Leider findet sich eine „zu einer nur abnickenden, d. h. zustimmenden Instanz verkommene“ Legislative nicht nur in Diktaturen. Wie sollten wir den Bundestag der Bundesrepublik Deutschland bezeichnen? Die Bundesrepublik Deutschland betrachtet sich als eine Demokratie. Und trotzdem nicken in regel- oder unregelmäßigen Abständen die Parlamentarier Gesetze ab, ohne daß sie diese verstanden, in ihrer Mehrheit noch nicht einmal gelesen haben. Denken wir nur an Gesetze und Verträge, die die Befugnisse der EU betreffen.
Selbst unter der Annahme, daß dies „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 24. März 1933“ noch Rechtskraft gehabt hätte, was es auch Ihren Ausführungen gemäß nicht der Fall war, konnte trotzdem der Reichspräsident des Deutschen Reiches einen Reichspräsidenten des Deutschen Reiches nicht ernennen. Der Reichspräsident Adolf Hitler war befugt, einen Reichskanzler zu ernennen. Siehe „Zweiter Teil des politischen Testaments.“ „…Ich ernenne an Stelle dessen den Großadmiral Dönitz zum Reichspräsidenten und Obersten Befehlshaber der Wehrmacht….“
Auch aus einer Stellvertreter-Funktion heraus durfte Großadmiral Dönitz für das Deutsche Reich keine Verpflichtungen eingehen, die gemäß der Weimarer Verfassung —
— dem Reichspräsidenten vorbehalten blieben und der Zustimmung des Reichstages bedurften.
Ich stimme mit Ihnen überein, daß das Deutsche Reich sich „Ende April / Anfang Mai 1945“ in einer Notlage befand. Ebenfalls stimme ich Ihrer Meinung zu, daß Großadmiral Dönitz als Oberster Befehlshaber der Deutschen Wehrmacht „befugt und berechtigt war, dem Oberkommando der Deutschen Wehrmacht den Befehl zu erteilen, die Kapitulation sämtlicher deutscher Streitkräfte in die Wege zu leiten.“
Ihrer Darlegung: „Der Frage, ob nun das Deutsche Reich oder nur die Deutsche Wehrmacht kapituliert hat, wird m.E. in bestimmten Kreisen zu viel Wert beigemessen“ muß ich aus vollster Überzeugung widersprechen. Und dies nicht nur, weil ich Betroffener und Zeitzeuge bin, sondern weil ich es nicht verantworten könnte, unseren Nachkommen, so für diese sich dereinst eine Lage ergeben sollte, der geschichtlichen Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen, keine Fakten mehr zur Verfügung stehen könnten.
Vorab einige im Internet nachlesbare Auffassungen. Aus Wikipedia:
„Völkerrechtlich ist die Rechtslage insoweit komplex, als die Besetzung und Übernahme der Regierungsverantwortung nicht nach den Maßgaben der Haager Landkriegsordnung verlief, oder an der klassischen Drei-Elemente-Lehre von Georg Jellinek zu messen war. Für die Qualifikation eines Staates als Völkerrechtssubjekt sind demnach die drei Merkmale Staatsgebiet, Staatsvolk und effektive Staatsgewalt konstitutiv. Bei der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Streitkräfte am 7. und 8. Mai 1945, welche nach Auffassung von Dieter Blumenwitz „auch nur ein militärischer Akt [war] und deshalb die rechtliche Substanz der deutschen Staatsgewalt nicht entscheidend treffen [konnte]“, wurde Deutschland faktisch dennoch jeglicher exekutiver Gewalt enthoben, existierte als völkerrechtliches Subjekt jedoch weiter.“
Mit Debellatio bzw. Debellation (lat.: „Besiegung“; bellum: Krieg) bezeichnet man das durch vollständige Zerstörung und militärische Niederringung eines feindlichen Staates herbeigeführte Ende eines Krieges.
Aus Rede des Abgeordneten Carlo Schmid im Parlamentarischen Rat, 8. September 1948:
„Was ist nun die Lage Deutschlands heute?
Am 8. Mai 1945 hat die deutsche Wehrmacht bedingungslos kapituliert. An diesen Akt werden von den verschiedensten Seiten die verschiedensten Wirkungen geknüpft. Wie steht es damit? Die bedingungslose Kapitulation hatte Rechtswirkungen ausschließlich auf militärischem Gebiet. Die Kapitulationsurkunde, die damals unterzeichnet wurde, hat nicht etwa bedeutet, daß damit das deutsche Volk durch legitimierte Vertreter zum Ausdruck bringen wollte, daß es als Staat nicht mehr existiert, sondern hatte lediglich die Bedeutung, daß den Alliierten das Recht nicht bestritten werden sollte, mit der deutschen Wehrmacht nach Gutdünken zu verfahren. Das ist der Sinn der bedingungslosen Kapitulation und kein anderer.
Manche haben daran andere Rechtsfolgen geknüpft. Sie haben gesagt, auf Grund dieser bedingungslosen Kapitulation sei Deutschland als staatliches Gebilde untergegangen. Sie argumentieren dabei mit dem völkerrechtlichen Begriff der debellatio, der kriegerischen Niederwerfung eines Gegners. Diese Ansicht ist schlechterdings falsch.
Der Rechtszustand, in dem Deutschland sich befindet, wird aber noch durch folgendes charakterisiert: Die Alliierten halten Deutschland nicht nur auf Grund der Haager Landkriegsordnung besetzt. Darüber hinaus trägt die Besetzung Deutschlands interventionistischen Charakter. Was heißt denn Intervention? Es bedeutet, daß fremde Mächte innerdeutsche Verhältnisse, um die sich zu kümmern ihnen das Völkerrecht eigentlich verwehrt, auf deutschem Boden nach ihrem Willen gestalten wollen. Es hat keinen Sinn, darüber zu jammern, daß es so ist. Daß es dazu kommen konnte, hat seine guten Gründe: man kann verstehen, daß unsere Nachbarn sich nach dem, was im deutschen Namen in der Welt angerichtet worden ist, ihre Sicherheit selber verschaffen wollen! Ob sie sich dabei immer klug angestellt haben oder nicht, soll hier nicht diskutiert werden; das ist eine andere Geschichte…“
Aus all diesen Auffassungen ist die Unterwerfung des Darlegenden unter das Primat der Macht ersichtlich.
In heimattreuer Verbundenheit
Horst Zaborowski
Bundesvorsitzender
→ Antwort von Herrn Dr. du Buy